Monografien

monografie


(1) „Jedes Kind ein Christkind, jedes Kind ein Mörder“. Kind- und Kindheitsmotivik im Werk von Marie Luise Kaschnitz. Tübingen: Francke 1999 [Dissertation].

Kind- und Kindheitsmotive prägen das Werk der Marie Luise Kaschnitz nachhaltig. Das Kind ist erinnertes Ich oder nicht-autobiographische Figur, ‚realistische‘ Gestalt oder Mythos, reifender Mensch oder das ewig Fremde, Hoffnungsträger oder Zerstörer, Lebensspender oder Todesbote, Unschuldsengel oder Teufel, Christkind oder Mörder.
Die Studie untersucht, im Rahmen eines intertextuellen, motivgeschichtliche Bezüge integrierenden Ansatzes, moderne Formen autobiographischen Schreibens, welche u.a. die (Un-)Möglichkeit von Erinnerung und Ich-Identität reflektieren. Darüber hinaus erweist sich Kaschnitz’ Darstellung von Kindheit in ihren familiären und gesellschaftlichen Bezügen als bereichernd für die ‚realistische‘ Kindheitsmotivik der Nachkriegszeit. Nicht zuletzt zeigt sich, dass auch in der Moderne noch Kindheitsmythen – positive und negative – lebendig sind.
Das Kind(heits)motiv erfährt in der Nachkriegsliteratur Veränderungen und Brüche. Die Entidyllisierung des Kindheitsparadieses geht einher mit der sukzessiven Dekonstruktion des guten, zukunftsträchtigen Kindes – und mit dem Auftritt des dämonischen Anti-Kindes.


(2) „Das Geweb ist satanisch fein.“ Friedrich Schillers Kabale und Liebe als Text der Gewalt. Würzburg: Königshausen und Neumann 2001. Downloads: InhaltFazit

„Das Geweb ist satanisch fein.“ Die bewundernden Worte, mit denen der Präsident von Walter die von seinem Sekretär ersponnene Intrige lobt, werden hier als poetologische Selbstreflexion des Textes Kabale und Liebe gelesen. Der Band bietet mit seiner differenzierten Analyse sprachlicher, diskursiver und textueller Gewaltcodierung in Friedrich Schillers bürgerlichem Trauerspiel einen originellen Beitrag zur modernen Schiller-Forschung.
Kabale und Liebe wird unter dem Blickwinkel seiner Gewaltstruktur als Gewebe verschiedener dramatischer bzw. dramaturgischer Konzepte aufgefasst, deren ‘Autoren’ die personae dramatis sind: Sie streben ein empfindsam-heroisches Drama, ein rührendes Familienstück, eine Märtyrertragödie, ein Intrigendrama an und beanspruchen dementsprechend Autorschaft, Regie und Rollenverteilung.
Aus einer derart heterogenen Textstruktur ergeben gravierende gattungstheoretische Konsequenzen: Das bürgerliche Trauerspiel scheint nicht erst im 19. Jahrhundert mit Friedrich Hebbels Maria Magdalena an ein Ende zu kommen – bereits Schillers Dramaturgie verweist durch ihre komplexe und gewissermaßen gattungssprengende Struktur voraus auf die Moderne.


(3) Theater über Theater. Parodie und Moderne 1870-1914. Bielefeld: Aisthesis 2006 [Habilitationsschrift]. Downloads: Inhalt – EinführungKorpus

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kommt es zu einem regelrechten Parodienboom, insbesondere im Bereich Drama und Theater. Die theatrale Parodie, deren Medien Kabaretts und Kleinkunstbühnen, Zeit-schriften, Anthologien, Buch- und Heftreihen sind, verabschiedet das Alte und weist den Weg zum Neuen, Modernen, das seinerseits parodistische Reaktionen auslöst. Sie besitzt einen Funktionsort im Entstehungsprozess des modernen Dramas und Theaters: einen Ort, an dem Theater über Theater stattfindet, Theater verhandelt, verabschiedet, vernichtet wird, an dem die Entwicklung des Theaters vorangetrieben wird.
Parodie und Moderne koinzidieren. Ist die Parodie modern oder gar die Moderne parodistisch? Ist die Parodie Phänomen der Moderne, Katalysator der Moderne, das andere Gesicht der Moderne? Jenseits formelhafter Zuspitzungen lotet die vorliegende Studie den kultur-, literatur- und theatergeschichtlichen Funktionszusammenhang von Parodie und Moderne aus, der immer neu und anders modelliert erscheint.
In Auseinandersetzung mit Positionen der Moderneforschung, Parodietheorie und Theatersemiotik wird zunächst ein differenziertes Parodiemodell erarbei-tet. Ein historischer Rückblick auf die Theater- und Parodiekultur des 19. Jahrhunderts erhellt die Voraussetzungen des parodistischen Aufschwungs der Jahrhundertwende. Der Hauptteil der Studie ist den theatralen Parodien selbst gewidmet, die im Zeitraum von 1870 bis 1914 gefunden oder belegt werden konnten. Repräsentative Einzelanalysen geben Einblick in Parodien des alten sowie des neuen – naturalistischen und symbolistischen – Theaters. Durch statistische Daten und kontrastierende Vergleiche kommt zudem eine breite Materialbasis in den Blick: Das Korpus umfasst 600 Parodien, dokumentiert in einem ausführlichen Anhang.


(4) Der böse Frau. Wissenspoetik und Geschlecht in der Frühen Neuzeit. Sulzbach/Ts.: Helmer 2009. Downloads: InhaltKapitel 1

Vom Anfang des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts erscheint eine Reihe von Ehesatiren über den bösen Frau, die Literatur und Wissen, Erzählen und Enzyklopädie, Moraldidaxe und Unterhaltung in verschiedensten Konstel-lationen zeigt. Die vorliegende Studie untersucht diskursive Entgrenzungen der Malus Mulier-Texte aus wissens- und geschlechter-historischer Perspektive. Für Entgrenzung steht vor allem die Titelfigur – in ihr ist die Subversion misogyner Geschlechter- und Wissensordnungen potenziell angelegt. Der böse Frau erhält einen literarischen Ort. Die Malus Mulier-Texte dokumentieren jedoch auch, dass mit der sprachlich-literarischen Etablierung des Androgynen seine phraseologische Bannung einhergeht.


(5) Poiesis der Maschine. Barocke Konfigurationen von Technik, Literatur und Theater. Berlin: Akademie 2013. Download: Leseprobe –S. 16

Das 17. Jahrhundert ist beherrscht von der Maschine. Sie dominiert als technische Konstruktion die Theorien und Praxen der wissenschaftlichen Revolution und bedingt entscheidend den Aufstieg der empirischen Wissen-schaften. Als Metapher hat sie Erklärungskraft für barocke Modelle von Welt und Mensch, von Körper und Geist; bildlich repräsentiert sie kulturelle und natürliche, weltliche und religiöse Prozesse. Auch Literatur und Theater sind nicht ohne Maschinen zu denken. Darum geht es in diesem Buch: um die polyfunktionale Figur der Maschine in Bezug auf theater- ästhetische Diskurse und Performanzen.
Denn Maschinen haben im rationalistisch-mechanistischen Barockzeitalter nicht nur philosophischen Erklärungswert – sie besitzen zugleich Generie-rungspotenzial: das Potenzial, Neues und Anderes, Mögliches und Unmögliches zu generieren. Die Poiesis der Maschine in der barocken Theater- und Literaturästhetik steht zur Diskussion. Vorgestellt werden zwei zentrale poietische Prozesse: Die Maschine generiert literarisch-theatrale Möglichkeitsräume auf der Bühne und im Buch. Zum einen setzt die Theatermaschine die barocke Ästhetik des Spektakulären um, gesteigert in der maschinellen Theatralisierung der Welt im Rahmen des barocken Festes. Zum anderen inszeniert die Maschinenliteratur Technikutopien auf der Schnittstelle zwischen Wirklichkeit und utopisch-visionärer Möglichkeit – und steht damit für das noch nicht diversifizierte literarische System der Frühen Neuzeit ein. Den Hauptteil des Buchs bildet ein Repertorium, welches die Werkgruppe der „Theatra Machinarum“ erstmals systematisch erfasst: gedruckte, ein- oder mehrbändige Technikschaubücher vom 16. bis 18. Jahrhundert, die reale und imaginierte Maschinen in Bild und Text präsentieren und sich, häufig durch einen theatermetaphorischen Titel, als Inszenierungen von Wissen auf einer Bühne ausstellen.

Cover
(6) Wissen, Medium und Geschlecht im 18. Jahrhundert. Frauenzimmer-Studien zu Lexikographie, Lehrdichtung und Zeitschrift. Hamburg: Lang 2015. Download: InhaltEinführung

Frauenzimmer-Studien: Dieser Band will dem Zusammenhang von Wissen, Medium und Geschlecht genauer auf die Spur kommen. Wissensmedien des 18. Jahrhunderts – Lexika, Lehrbücher, Zeitschriften – werden unter geschlechterhistorischen Gesichtspunkten neu betrachtet.
Es geht um
– das weibliche ‚Versehen‘ im lexikographischen Diskurs (von Hübner bis Krünitz)
– textinterne Leserinnenkonzepte in der Frauenzimmer-Lexikographie (Corvinus)
– weibliche Gelehrsamkeit und Kulturtransfer (Fontenelle)
– Geschlechter-Räume in der Lehrdichtung (Zäunemann)
– mediale Präsenz und Produktion weiblicher Autorschaft im Medium der Gelehrtenzeitschrift (Zäunemann und die Hamburgischen Berichte)
– Bildungskonzepte und Mediokrität in spätaufklärischen Frauenzeitschriften (La Roches Pomona, Frauenzimmerbibliothek)

Roßbach, Nikola: Lust und Nutz
(7) Lust und Nutz. Historische, geistliche, mathematische und poetische Erquickstunden in der Frühen Neuzeit. Bielefeld: Aisthesis 2015. Downloads: InhaltEinführung

Die antik-klassische Doppelvorgabe, zu nützen und zu erfreuen, prägte Poetiken und Literatur von der Renaissance bis weit ins 18. Jahrhundert hinein maßgeblich.  Was bedeutete die gängige Formel des ‚prodesse und delectare‘ konkret? Konnte Lust ohne Nutz, Nutz ohne Lust überhaupt (nicht) existieren? Zweifellos gab es lehrreiche, aber wenig vergnügliche Werke. Konnte Literatur umgekehrt auch sinnloses Vergnügen bereiten? Didaxe und Disziplinierung gelten zu Recht als primäre Funktionen frühneuzeitlichen Schreibens. Genau hier soll weitergefragt werden. Wie sieht es mit dem Unterhaltungsfaktor aus? Wie spaßfrei war die Frühe Neuzeit wirklich?
In dieser Studie zu historischen, mathematischen, geistlichen und poetischen Erquickstunden gilt ein weiter Literaturbegriff – im Sinne der Texte selbst. Denn nicht nur die Poesie nahm für sich in Anspruch, horazisch Lust und Nutz zu vereinen.

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(8) Achtung, Zensur! Über Meinungsfreiheit und ihre Grenzen. Berlin: Ullstein 2018. Download: Inhalt+Einführung

Zensur ist der Schlachtruf der Stunde: Ein Gedicht wird von einer Fassade entfernt? Zensur! Ein Bild aus einem Museum entfernt? Zensur! Ein Redner von einer Universität ausgeladen? Zensur! Doch ist es das wirklich? Viele haben heute das Gefühl, ihre Meinung nicht mehr offen sagen zu können. Sie fragen sich, ob Facebook und Google ihre Kontrollaufgaben nicht rigider wahrnehmen als mancher Staat, ob Kunst politisch korrekt sein muss, wieviel Freiheit man den Feinden der Freiheit geben kann.
Eine heiße Debatte ist entbrannt, bei der vieles durcheinander geht. Klassische Zensur vermischt sich mit neuen Formen, polemisches Geschrei von rechts mit Sprechverboten von links. Achtung, Zensur! analysiert die kontroverse Diskussion um das Sagbare und legt die unterschwelligen Mechanismen unserer Gesellschaft offen. Zugleich fordert sie eine Zensurdebatte, die über Polemiken und effektheischende Extrempositionen hinausgeht. Eine Auseinandersetzung, die zeigt, was Meinungsfreiheit bedeutet und wie viel sie uns tatsächlich wert ist.

Preis „Das politische Buch“ 2019 der Friedrich-Ebert-Stiftung
Nominierung NDR Sachbuchpreis
Pressestimmen u.a. DLF, Freitag, Lesensiegut, Augsburger Allgemeine. – Interviews u.a. FAZ, Welt, BR, HR, inforadio, DLF, Internationale Politik und Gesellschaft, Forum

(9) Gotthelf Wilhelm Christoph Starke (1762–1830). Entdeckung eines großen Unbekannten. Hannover: Wehrhahn Verlag 2023.

Gotthelf Wilhelm Christoph Starke (1762–1830), Dichter und Theologe aus Anhalt-Bernburg, galt zu seiner Zeit als Klassiker. Seine Gemählde aus dem häuslichen Leben und Erzählungen machten ihn weit über die Grenzen seines Heimatlandes hinweg bekannt. Dennoch geriet er als Spätaufklärer und Moralist bald in den Schatten der Literaturgeschichte – in deren Lichtkegel andere, wenige Auserwählte standen und stehen. Als Zeitgenosse Goethes, Schillers und Kants stellt Starke ein bemerkenswertes Phänomen vergessener Größe dar. Ihn wiederzuentdecken lohnt sich.
Der Bernburger Gelehrte, der die Französische Revolution von weitem und die Napoleonische Fremdherrschaft von nahem erlebte, war ein leidenschaftlicher Altphilologe und Übersetzer, ein ambitionierter und mutiger Lehrer. Als Aufklärungstheologe predigte er Toleranz und befürwortete die protestantische Union von Lutheranern und Reformierten. Mit seinen Gemählden schuf er ein ins Französische, Englische, Schwedische, Niederländische und Russische übersetztes Erzählwerk, das unverkennbar ist: als Konfiguration aus prägnanten Charakteren und plastischen Erzählräumen, aus festen Werten und subtilen Sehnsüchten, aus vordergründiger Moral und hintergründigem Humor. Er verfasste jedoch nicht nur Erzählungen, sondern auch Gedichte und Lieder, Predigten und Reden, Schulschriften und Abhandlungen sowie dramatische Szenen.
Dieses Buch unternimmt den Versuch, Starkes Leben und Werk dem kanonfixierten Vergessen zu entreißen und ihm seinen Platz in der Literaturgeschichte zurückzugeben.

Rezension von Till Kinzel, IFB